Belize + Guatemala (Segelturn) 2003
Die Anreise nach San Pedro, wo wir unser Segelboot, einen Kat (Katamaran) mit vier Doppelkabinen übernehmen und unsere Reise beginnen, ist nicht gerade komfortabel. Vier Flüge ab Basel via Paris via Houston via Belize-City müssen wir über uns ergehen lassen. Direktere Flüge gibt es nicht und dass die Start- und Landezeiten im Flugverkehr nur allzu oft nicht eingehalten werden können, bekommen wir in Houston (Texas) ganz besonders zu spüren. Durch die verspätete Ankunft verpassen wir den Anschlussflug nach Belize-City und müssen unsere Weiterreise um einen Tag verschieben. Wir nutzen diese Gelegenheit, um ein richtiges Stück Fleisch in texanischem Massstab zu geniessen. Eine für amerikanische Verhältnisse wirklich ausserordentlich schmackhafte Mahlzeit. Die beiden letzten Etappen klappen dann bestens. Insbesondere der Inlandflug nach San Pedro in einer 10plätzigen Fokker 100 bereitet uns grossen Spass, können wir doch die Inselwelt vor Belize bereits ein bisschen von oben in Augenschein nehmen.
So nehmen wir, dort angekommen, unser Boot in Empfang und beladen es mit Proviant. Wir wissen nicht, wie oft wir in den nächsten Tagen noch Einkaufgelegenheiten haben werden. Deshalb sparen wir nicht beim Einkauf, damit es im Notfall für zwei Wochen knapp ausreichen könnte. Am Abend gönnen wir uns jedoch eine Mahlzeit in einem der recht zahlreichen Restaurants. San Pedro ist die wohl grösste und bekannteste Insel Belizes. Deshalb gibt es hier im Gegensatz zu den vielen anderen Inseln und Inselchen auch Restaurants und Bars. Das einheimische Essen schmeckt sehr gut und ist im Gegensatz zur touristisch erschlossenen Karibik deutlich günstiger als zu Hause. Am nächsten Morgen geht es nun richtig los. Der Wind steht gut und wir brauchen die Motoren lediglich um das Hafengelände zu verlassen. "Segel setzen!" heisst es sofort und die eigentliche Reise kann beginnen. Alle sind etwas aufgeregt und man erwartet, dass in Kürze der eine oder andere über die Rehling hinaus "die Fische füttern" wird. Zu unserem Erstaunen passiert aber gar nichts. Die einen sind immun gegen die Seekrankheit, die anderen helfen mit Arzneimitteln etwas nach. Die See ist ruhig. Es hat nur geringen Wellengang. Dies ändert sich mit einer Ausnahme auch während der ganzen Reise kaum. Das vorgelagerte Barriere-Riff bricht grosse Wellen und durch die dahinter liegenden Untiefen können keine neuen mehr entstehen. Dazu braucht es schon einen orkanartigen Sturm, doch dazu kommen wir später. Geringer Wellengang bei gutem Wind sind Traumverhältnisse für einen Segeltörn.
Schon bald laufen wir die erste der zahlreichen Inseln, Cays genannt, an um die Unterwasserwelt etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Korallenbänke und Fisch sind zwar vorhanden, aber doch nicht so zahlreich wie erhofft oder erwartet. Caye Caulker ist zwar bekannt bei Tauchern, aber wahrscheinlich haben wir die richtige Stelle einfach nicht gefunden. Dafür bietet das Dorf einiges an Kultur und Atmosphäre. Der Tourismus hat hier in den ersten Zügen bereits begonnen und dementsprechend existiert bereits einiges an Infrastruktur. Ein Kraftwerk mit zwei Dieselmotoren, ein kleiner Flugplatz, mehrere Tauchbasen und einige Hotels, soweit man diese Schlafgelegenheiten so bezeichnen kann, sind vorhanden. Luxus gibt es keinen. Die Hotels sind einfach und dementsprechend trifft man auch bestenfalls anspruchslose Rucksacktouristen auf den Strassen an. Die Einheimischen sind wie überall im Land sehr freundlich und im Gegensatz zu anderen Regionen in der Karibik überhaupt nicht aufdringlich. Ein "Nein danke" auf ein Angebot wird bedingungslos akzeptiert. Für Ferien an Ort kann Caye Caulker mit sehr schönem Badestrand und als Ausgangspunkt für Ausflüge durchaus eine Alternative darstellen.
Da wir aber nie zwei Nächte am selben Ort
verbringen ist klar, dass es am nächsten Morgen weiter geht Richtung Süden. Das
schöne an dieser üppigen Inselwelt ist, dass man nie den Landkontakt aus den
Augen verliert. Inseln, soweit das Auge reicht. Wir nutzen die Überfahrt, um uns
im Anglerglück zu versuchen und siehe da, schon nach kurzer Zeit beisst ein 95cm
langer Barracuda an. Der hat vielleicht Zähne. Aber wir lassen uns nicht
einschüchtern und machen ihm mit dem Leatherman den Garaus. Das Nachtessen ist
gesichert. Es reicht problemlos für alle 8 Mäuler. Dies soll auch nicht der
einzige Anglererfolg auf unserer Reise bleiben. Ein weiterer kaum kleinerer
Barracuda sowie ein Cero werden noch in unserer Pfanne landen. Barracuda
schmeckt übrigens hervorragend. So frisch zubereitet riecht und schmeckt er
nicht im Geringsten nach Fisch und auch der Cero verwöhnt unsere Gaumen ganz
schön.
Die erste kleine Insel, die
wir anlaufen heisst Water Caye. Sie ist mit Ausnahme eines kleinen Strandes
unbegehbar mit dichtem Wurzelgeflecht der Mangroven überwachsen und verfügt über
zahlreiche Meerwasserkanäle. Mit dem "Dingi", dem kleinen Schlauchboot,
befahren wir das Kanalsystem und bewundern die üppige Vegetation mit ihrer
Vogelwelt. Am Rande der Insel, nicht weit vom Ufer entfernt, befindet sich eine
kleine Siedlung, bestehend aus fünf Häusern, welche wie früher zur Zeit der
Pfahlbauer auf Pfosten etwa einen Meter über dem Meeresspiegel stehen. Eine
Landverbindung besteht nicht. Nur per Boot können die Häuser erreicht werden.
Die nächste Insel, welche wir anlaufen, heisst Goffs Caye. Sie ist sehr klein und beherbergt lediglich ein Dutzend Palmen sowie einen kleinen Unterstand. Wozu dieser dient, wird uns erst klar als ein schwimmendes Restaurant auf die Insel zusteuert. Es sieht wirklich ulkig aus. Ein schwimmendes kleines Häuschen mit zwei Aussenbordmotoren. Vermutlich wartet es hier auf Taucher. Wir bewaffnen uns mit Schnorchel, Flossen und Brille um die Unterwasserwelt kurz zu begutachten. Unsere Erwartungen werden aber abermals nicht ganz erfüllt und so machen wir uns rasch auf die Weiterfahrt.
Die Insel English Caye mit dem Leuchtturm lassen wir links liegen und steuern weiter Richtung Rendezvous Caye, einer ebenfalls sehr kleinen Insel mit acht Palmen und einem kleinen Buschwerk. Gemäss Literatur soll hier ein schönes Riff zu bewundern sein und siehe da, diesmal werden wir nicht enttäuscht. Farbige Korallenbänke und zahlreiche Fische lassen uns für einen Moment die Zeit vergessen. So stellt man sich das Tauchen vor und dieser Ort soll zur eindrücklichsten Erinnerungen unterhalb der Wasseroberfläche werden.
Trotz Sonnenschutzmittel mit hohem Schutzfaktor holt sich hier der eine oder
andere einen ersten kleineren Sonnenbrand, dessen Anzeichen man im Wasser nicht
wahrzunehmen vermag. Unser nächstes Ziel ist Tobacco Caye, eine Insel mit einem
kleinen Dorf. Es gibt sogar ein kleines Restaurant und wir entschliessen uns,
dort nach dem Nachtessen noch einen Drink zu uns zu nehmen. Wir liegen etwa 50m
ausserhalb vor Anker und fahren mit dem Dingi ans Ufer. Währen wir unseren Drink
zu uns nehmen, setzt plötzlich Regen ein. Dieser wird stärker und stärker und
allmählich baut sich auch noch ein Sturm auf. Das Ganze nimmt schliesslich
Dimensionen an, wie wir es noch nie zuvor erlebt haben. Zuerst wollen wir
abwarten. Es bessert sich aber nicht im Geringsten und wir entschliessen uns,
auf das Boot zurückzukehren. Es sind keine 100m bis zum Strand, wo wir unser
Dingi zurückgelassen haben. Wir rennen, aber die kurze Zeit genügt, um uns bis
auf die Haut zu durchnässen. Am Ufer angekommen suchen wir unseren Ankerplatz
nach unserem Boot ab. Wo ist das Boot? Es kann doch nicht verschwunden sein?
Doch, es kann! Etwa 200m westlich erkennen wir einen schwachen Lichtschein. Der
Anker vermochte das Schiff durch die hohen Windgeschwindigkeiten nicht mehr zu
halten. Er wurde aus dem Meeresboden gerissen und einfach mitgeschleift. Zwei
von uns versuchen den Motor des Dingis zu starten, doch der lässt sich
glücklicherweise nicht in Gang setzen. Ja, glücklicherweise, denn bei diesem
Wetter und bei diesem Wellengang wäre eine Fahrt mit dem schwach motorisierten
Dingi äusserst gefährlich gewesen. Wir bitten einen der Fischer, uns mit seinem
Boot auf unseren "Kat" zu fahren. Was es bedeutet, bei so einem Unwetter von
einem Fischerboot in ein grösseres Segelboot umzusteigen, den Anker zu hissen
und erneut zu ankern kann man kaum beschreiben. Filmszenen aus "Moby Dick" oder
"Meuterei auf der Bounty" auf ihren Fahrten um Kap Hoorn treffen am
anschaulichsten zu. Zum Glück findet das Ganze in einer warmen Region statt,
sonst wären wohl alle mit einer Erkältung im Bett gelandet. Der Sturm wütet noch
die ganze Nacht, bis er bei Tagesanbruch allmählich abklingt und wir unser Dingi
wieder an Bord nehmen können. Der junge Fischer kommt unserer Einladung zum
Frühstück an Bord nach und wir unterhalten uns ein wenig mit ihm. Er lebt seit
seiner Geburt ausschliesslich auf dieser Insel und kann vermutlich weder Lesen
noch Schreiben.
Als nächstes Reiseziel steht Placencia, ein Dorf im Süden Belizes, auf dem Programm. Nach wenigen Segelstunden erreichen wir dessen bescheidenen Hafen und füllen erstmals unsere Wassertanks nach. Wir haben 600 Liter Kapazität; dies reicht nicht weit für 8 Personen. Placencia hat vielleicht einige hundert Einwohner und versucht mit einigen einfachen Hotels Sporttaucher und andere Touristen anzulocken. Der Erfolg hält sich allerdings in Grenzen und die meisten Zimmer sind leer. Wir ergreifen aber die Gelegenheit, um wieder einmal eine Mahlzeit in einem Restaurant einzunehmen. Aggressive Moskitos beeinträchtigen unsere Freude ein wenig. Wir ertragen die Pein aber geduldig im Bewusstsein, dass wir auf dem Meer während der Nacht Ruhe vor ihnen haben werden. Am nächsten Tag geht es weiter nach West Snake Caye und schliesslich über die Grenze nach Livingston, Guatemala. Hier wird nun ausschliesslich spanisch gesprochen.
Livingston ist
sehr lebhaft und dessen Besuch geradezu ein Muss für jeden Durchreisenden. Hier
trifft man auch zahlreiche Touristen an und die Hauptstrasse besteht deshalb
fast ausschliesslich aus Shops und Restaurants. Wir essen hier sehr gut und
günstig. Als wir uns in einem Restaurant mit etwas Flüssigem erfrischen, stellt
sich heraus, dass der Wirt ein vor 14 Jahren ausgewanderter Schweizer ist, der
unter etwas obskuren Umständen in Guatemala landete.
Am nächsten Morgen verlassen wir das Meer und fahren mit Motorbetrieb den Rio Dulce hoch. Eine atembe-raubende Landschaft säumt das steile Flussufer. Der dichte Regenwald scheint undurchdringbar und hier sehen wir, wenn auch nur für einen kurzen Moment, einen "Manatee", eine der bekannten Seekühe dieser Region. An einer eng begrenzten Uferstelle tritt heisses, schwefelhaltiges Wasser aus einer Quelle in den Fluss. Wir lassen uns das Vergnügen nicht nehmen, uns im heissen Wasser etwas zu entspannen. Der Rio Dulce geht dann allmählich in eine See, El Golfete, über, welcher mehrere andere kleinere Zuflüsse hat. Einer davon ist der Rio Chocon Machaca. Wir fahren einige Kilometer hinauf zu einem kleinen Dorf, bestehend aus vier Häusern. Nur die Kinder befinden sich im Dorf. Die Männer haben wir unterwegs beim Fischen in ihren Einbäumen gesehen. Vermutlich sind es Abkömmlinge der Maya. Die Kinder sind äusserst scheu und verstecken sich in den Häusern, als wir an Land gehen. Selbst kleine Süssigkeiten als Geschenk vermag ihre Scheu nicht wirklich zu verdrängen. Erst als wir wieder auf dem Boot sind, stehen sie freudig am Ufer und winken uns zum Abschied zu. Wir vermuten fast, dass diese Kinder noch nie vorher Touristen gesehen haben. Mit Ausnahme eines abgeschnittenen Teiles einer PET-Flasche haben wir keine Zivilisationsgegenstände gesehen und so geben wir uns auch Mühe keine zurückzulassen. Wieder zurück im El Golfete geht die Reise weiter flussaufwärts zum nächsten See, dem Lake Isabelle. Obwohl nur etwa 20 km entfernt treffen wir dort eine völlig andere Welt an. Der See ist umrahmt von Luxusresidenzen vermögender Guatemalteken inklusive Pool, Yacht, Schnellboot usw. Die Jugend kurvt mit Jetskiern, einer Mischung aus Motorrad und Schnellboot, auf dem See umher. Wir werden den Verdacht nicht los, dass es sich bei den Besitzern vor allem um guatemaltekische Drogenbarone handeln könnte. Wie sollte man sonst in einem Land ohne jegliche Industrie so reich werden? Etwas weiter oben, wo wieder die Natur mehrheitlich die Uferlandschaft beherrscht, ankern wir und begeben uns auf einen Spaziergang ins Landesinnere zu einem kleinen Wasserfall, welcher durch eine heisse Schwefelquelle gespeist wird. Es ist Sonntag und deshalb treffen wir hier zahlreiche Einheimische an, welche ebenfalls ein heisses Bad inmitten des tropischen Regenwaldes geniessen.
Dieser Ort bildet den
entlegensten Punkt von unserem Startplatz aus gesehen und so geht es von hier
aus zu einem grossen Teil wieder den gleichen Weg zurück
- zumindest bis nach Placencia. Hier verlassen wir Guatemala wieder um nach Belize zurück zu kehren.
Das erste Dorf im Süden heisst Punta Gorda. Ein Dorf - langweiliger kann man sich ein Dorf kaum vorstellen - das gerade gut genug zum "Einklarieren" ist, dem Anmelden, wenn man ein neues Land auf dem Seeweg erreicht. Dank Mehrfachvisa geht dies zum Glück auch relativ einfach. Allerdings konfisziert man uns hier alle frischen Lebensmittel auf dem Boot, da man Angst hat, eine inzwischen ausgerottete Fruchtfliege könnte sonst wieder eingeschleust werden. Nach diversen Schnorchelgängen und nach wunderschönen Sonnenauf- und -untergängen besuchen wir Belize-City.
Man hat eigentlich nie den Eindruck, dass man
sich in einer Stadt befindet. Sie besteht noch mehrheitlich aus Holzhäusern.
Mehr als drei Stockwerke trifft man kaum an und so fühlt man sich eher wie in
einem grossen, nicht enden wollenden Dorf. Der Hafen ist geradezu lächerlich für
einen 70'000-Seelen-Ort, aber das hat einen guten Grund: das Barriere-Riff vor
Belize mit den dahinter liegenden Untiefen macht das Befahren der Küstenregionen
mit grossen Schiffen unmöglich. So treffen wir auf unserer zweiwöchigen Reise
auch nur gerade zwei Kreuzfahrtschiffe an. Eines davon liegt weit draussen vor
Anker und bringt die Passagiere mit einem Shuttle an Land und wieder zurück. Die
Untiefen sind manchmal extrem ausgeprägt. Selbst wir, unser Kat hat einem
Tiefgang von etwas mehr als einem Meter, müssen oft einen Weg suchen und einmal
sogar umkehren, weil die Wassertiefe nicht mehr ausreicht. Leider hat unsere
Reise viel zu schnell sein Ende erreicht und so landen wir zum Schluss wieder in
San Pedro.